Das Abendgebet – Der Schlaf gleicht dem Tod – Ruhigen Mutes denken wir an unser Sterben
Das Abendgebet aus dem Gebetbuch (Männer im Gebet) meines Grossvaters. Der Tag geht zu Neige. Wie der Bauer die Ernte in die Scheune fährt, überschauen wir die Ernte des abgeschlossenen Tages. Nicht alles war gut und vollkommen. Wir haben Grund, demütig zu bereuen, was wir durch Nachlässigkeit und Schwäche gefehlt haben.
Wir gehen nicht zur Ruhe, ohne mit Gott wieder den Frieden gefunden zu haben. Und wir denken auch an jene, welchen wir Unrecht getan haben.
Der Schlaf gleicht dem Tod. Ruhigen Mutes denken wir an unser Sterben. Haben wir unsere Sache vor dem Herrn so bestellt, dass wir guten Gewissens sterben können? Geheimnisvoll arbeitet es auch während der Nacht in uns. Der letzte Gedanke des Abends muss daher heilig und gut sein. Es sei ein aufrichtiger Dank an Gott den Vater für alle Gaben, die wir empfangen durften. Und es sei eine Bitte um eine reine Nacht für uns und für die ganze Menschheit der Erde.
Eine ruhige Nacht und ein glückliches Ende verleihe uns der allmächtige Gott.
Abendgebet
Vater im Himmel! Bei dir will ich den Tag schliessen. Zuerst will ich danken. Ich habe von dir soviel Gutes empfangen. Was ich heute Wertvolles getan habe und allen Erfolg meiner Werke verdanke ich dir. Von dir kam jeder gute Gedanke, jede Beherrschung und jedes gute Beispiel.
Wieviel hätte ich noch tun können! Und was ich tat, war oft schwach und widerwillig getan. Vor dir will ich es offen und ehrlich bekennen, dass ich ein Sünder bin. Ich weiss ja, was du von mir verlangst, und doch tue ich es nicht. Ich lasse mich von allen möglichen Gedanken und Wünschen treiben und sollte mich doch von dir führen lassen. Immer schwanke ich hin und her zwischen Aufschwung und Sünde, zwischen gutem Willen und Schwachheit.
Nimm wenigstens den guten Willen, den du jetzt in mir siehst, zum Ersatz für manches gutes Werk, das du von mir kennst und mich liebst, o mein Gott, wenn ich zu dir zurückkomme. Ich weiss, dass ich zu dir Vertrauen haben kann wie sonst zu keinem anderen.
Und in diesem Glauben bitte ich dich um Gnade und Kraft, dass ich ein Mann werde nach deinem Wille, der Mann, den du aus mir machen willst. Dieses Vertrauen auf dich macht mich froh und gibt mir Lebenskraft. Niemand hat einen besseren Beschützer und Herrn. Bleibe bei mir auch diese Nacht und lass mich morgen früh zu neuem Dienst erwachen. Amen.
Nachtgebet und Reue
Setze dich selbst auf den Richterstuhl deines Gewissens und führe dir deine Sünden vor. Und wenn dein Gewissen davor zurückschreckt und sich lieber mit fremden Sünden befassen will, dann sag ihm: Nicht wegen dieser Sünden richte ich dich. Was geht es dich an, wenn dieser oder jener schlecht ist? Warum hast du selbst das getan? Klage dich selbst an und schau nicht auf andere.
Wenn du abends zu Bett gehen willst, dann stelle diese Gerichtssitzung an. Das ist die rechte Zeit für dich. Dein Schlafgemach und dein Bett sind der Gerichtsaal.
Selbstprüfung am Abend
Wir sind geistliche Handelsleute, Brüder, und gleichen den weltlichen Handelsleuten. Täglich berechnet der Kaufmann Gewinn und Verlust, und wenn er einen Verlust erlitten hat, so gibt er sich Mühe und sorgt, wie er ihn wieder ersetzen kann. Ebenso denke auch du an jedem Abend, auf welche Weise du dein Handelsgeschäft betreibst.
Sage zu dir selbst: Habe ich müssige Worte geredet? War ich gleichgültig? Habe ich meinen Bruder erbittert? Habe ich jemanden verleumdet? Schweifte mein Geist in weltlichen Einbildungen herum? Überfiel mich fleischliche Begierde und nahm ich sie mit Lust auf?
Liess ich mich durch irdische Sorgen besiegen? Habe ich durch diese Dinge Gott beleidigt? Hast du in diesen Stücken Schaden gelitten, so bemühe dich fleissig ihn durch Gewinn zu ersetzen. Bereue, damit du nicht wieder in die gleichen Fehler fällst.
Abendgebet für die Mitmenschen
Vater alles Menschen! Deinem mächtigen Schutz empfehle ich alle Menschen der Erde. Alle sind auf dieser Welt, damit du verherrlicht wirst. Zeige ihnen allen deine väterliche Güte, damit sie dich loben und ehren und deinen Namen heilighalten. Meine Freunde, meine Wohltäter, aber auch meine Feinde und Widersacher mögest du segnen.
Wache besonders über meine Hausgenossen und Angehörigen!
Dein Segen ist der beste Schutz dieses Hauses.
Erbarme dich aller Leidenden, Kranken, Sterbenden! Aller jener, die in Schmerz und Not des Leibes und der Seele den Schlaf nicht finden können. Gib ihnen, o Herr, deinen göttlichen Frieden, damit alle sich finden in deinem Lob und dich preisen als Vater und Herrn der ganzen Schöpfung. Amen
Zur Gewissensforschung am Abend
Heiliger Geist! Das Licht deiner göttlichen und untrüglichen Wahrheit möge in dieser Abendstunde meine Seele durchleuchten. In diesem Licht soll sie hell und klar sehen, damit ihr keine Sünde verborgen bleibe, durch welche ich mich vor deinem alles sehenden Auge verfehlt habe.
Ich will vor meiner Nachtruhe diese Sünden erkennen, bekennen und bereuen, damit sie an das Kreuz Christi genagelt werden und daran sterben. Dann gibst du, Geist Gottes, meiner Seele den Frieden. Amen.
Lege dich Abends so nieder, als solltest du in der Frühe begraben werden, und steh morgens so auf, als sollte man dich abends begraben. (Nikolaus von Basel)
Nachtgedanken
Es ist alles wie tot um mich her. Alles liegt in tiefem Schlaf. Du aber bist da, du Lebendiger, immer Gegenwärtiger, der weder schläft noch schlummert. Du siehst auch jetzt in der Todesstille der Nacht, wo jedes Menschenauge sich schliesst, mich wachenden Menschen.
Du hörst, wo kein Ohr meiner Freunde hört, meine Klage. Nein, du hast mich nicht vergessen. Du bist so gut, und ruhig warte ich auf deine Hilfe. Was mir auch geschehen mag, - du bist mein Trost auf ewig.
In dieser stillen Nacht gehen mir die Augen des Geistes auf, und ich erkenne deine Güte auch in dem, was du mir nicht gibst. Was für eine Wohltat ist doch der Schlaf, den ich jetzt nicht finden kann. Der ist den Müden die Erholung und den Leidenden, wenigstens eine Zeitlang, eine Erlösung. Tausendmal in einem Leben habe ich diese Wohltat genossen.
Ich habe sie als selbstverständlich betrachtet, bis jetzt, wo ich sie nicht geniessen kann. Ich habe dir nie herzlich dafür gedankt. Und ich würde dir wohl auch jetzt nicht danken, wenn du mir nicht die Augen für dieses Geschenk öffnen würdest, indem du es mir entziehst.
Jetzt bist du allein vor meinem geistigen Auge. Jetzt kann ich besser als im Geräusch des Tages deiner gedenken. Lass mich nun die Welt von dir aus sehen, aus deiner göttlichen Höhe und Warte.
Was sind die Mächtigen der Welt, was sind alle Menschen vor dir? Sie liegen da im tiefem Schlaf. Wenn du ihren Odem nimmst, dann erwacht keiner mehr, keiner würde das Licht wieder sehen. Du aber behütest sie, die Guten und die Schlechten.
Und morgen geht deine Sonne wieder auf über allen. Du weckst die Menschen wieder, dass aufs neue die Herrlichkeit deiner Werke sehen. Und wenn Sie auch im Tode entschlafen, so weckst du sie wieder auf durch Jesus Christus. Wie das Sonnenlicht im Reich der Geister ist er. Er gibt neues Leben, zu dem auch wir alle auferstehen können.
Auch ich will mich mit dieser deiner Güte trösten. Auch für mich hast du Erquickungen nach den Mühen dieses Lebens, Freuden nach dem Leiden. Du wirst meiner Plage ein Ende machen, und im Lande der Seligen werde ich deine Güte sehen. So werde ich nicht zittern, wenngleich ich wandern muss im finstern Tal. Du bist bei mir, der töten und lebendig machen, ins Grab und wieder hinaus in die Wohnung des Lichts führen kann.
Jetzt spüre ich das Glück, dich zu haben, an dich glauben und auf dich vertrauen zu dürfen. Einmal werden für mich alle Geschäfte dieser Welt, alle Freuden dieser Erde vorbei sein. Und wenn alle meine Freunde mir nicht mehr folgen können, wirst du mein einziger Freund, mein einziges Hab und Gut sein.
Jetzt sollst du schon mein grösster Freund, mein höchstes Gut sein. Wenn ich doch nur alle Tage meines Lebens auf Erden dich immer vor Augen gehabt hätte!
Warum habe ich nicht mehr an dich gedacht? Jeden Tag lag deine Güte mit so sichtbaren Spuren vor mir! Jetzt zeigst du dich so nahe, und so oft habe ich dich vergessen! Bei dir ist die Nacht so licht wie der Tag. Und da kann ich meine Sündhaftigkeit nicht verbergen.
Ich will sie bereuen, bekennen und diese Nacht zu meiner Selbsterkenntnis anwenden. Du wirst mir wieder verzeihen, mir wieder den Namen Gotteskind zuerkennen, und ich werde nicht wieder zur Torheit zurückkehren.
Jesus Christus, du hast oft ganze Nächte hindurch gebetet. Hier in der Stille der Nacht möge Gott mein Versprechen hören:
Ich will nach meinen Kräften nach deinem heiligen Willen leben. Ob ich noch länger leben soll oder ob mein Ende nahe ist; Ich will dein Kind sein und bleiben, allmächtiger Vater im Himmel. Hilf, dass ich's werde! Amen.