Mystik & Thomasevangelium – Nr. 21 – Wach für das Wesentliche

Der Vers - Wach für das Wesentliche

Maria Magdalena befragte Jesus: „Wie sind deine Jünger?“ Er sagte: „Sie sind wie kleine Kinder, die sich auf einem Feld niedergelassen haben, das ihnen nicht gehört. Wenn die Besitzer des Feldes kommen, werden sie sagen: ‚Gebt uns unser Feld zurück’. Sie werden ihre Kleider vor ihnen ablegen, nur damit es ihnen überlassen wird und ihnen ihr Feld geben. Darum sage ich: Wenn der Besitzer des Hauses weiss, dass der Dieb kommen wird, wird er wachen, bis er kommt. Er wird ihn nicht eindringen lassen, um seine Dinge mitzunehmen.

Ihr aber, seid wachsam gegenüber der ganzen Welt. Bereitet euch mit grösster Stärke vor, damit die Diebe keinen Weg zu euch finden können, denn der Ärger, den ihr erwartet, der wird auch kommen. Wäre doch unter euch nur ein weiser Mann, der versteht! Als die Ähre gereift war, kam er mit seiner Sichel in der Hand schnell herbeigeeilt und hat sie gemäht. Jeder, der zwei gute Ohren besitzt, sollte besser zuhören.“

Kommentar

Die Kinder sind dem Reiche Gottes am nächsten. Auf dem Felde, das, ihnen nicht gehört, in der äusseren Welt, in der sie Gast sind, lassen sich alles dienen, was zu ihnen kommt, und lassen es ebenso willig wieder los, ohne Besitzrechte zu beanspruchen.

So lebt er Erwachte in der Welt, ohne von der Welt zu sein. Er lässt sich alles dienen, bleibt aber allezeit seiner höheren Herkunft und Zukunft bewusst und darum frei von der Begehrlichkeit nach dem, was vergänglich  und nicht zu halten ist.

Mitten im Alltag bleibt er wach für das Wesentliche, hält an der Flucht der flüchtigen Güter Ausschau nach den unverwelklichen Werten und lässt, diese ergreifend, alles Geringere willig fahren. Er weiss, dass nicht die äusseren Gewinne, sondern der innere Gewinn und das innere Wachstum entscheiden.  Über den Dingen stehend, leidet er nicht unter der Vergänglichkeit alles Irdischen, sondern lebt und schöpft aus der Füllle des Ewigen, die von Dauer ist.

Kinder Gottes

Wenn wir rechte Kinder Gottes sind, werden wir, wenn die Herren des Feldes kommen, ihnen ihr Feld willig überlassen, weil wir nicht mehr am Vergänglichen haften. Wer aber noch nach irdischen Gütern ausschaut und sie, und wäre es auch nur in Gedanken, zu halten und zu behalten wünscht, dem wird das, woran er haftet, genommen werden. Und vielleicht verliert er über dem Unwesentlichen auch das Wesentliche, die Schätze des Innern.

Das zweite Gleichnis verstärkt diese Mahnung zur Wachsamkeit. Es gilt, in allem auf den Punkt der Reife zu achten und im rechten Augenblick unverzüglich das Rechte zu tun gleich dem Schnitter, von dem Johannes spricht, der der Ernte sogleich die Einbringung des Weizens und die Verbrennung der Spreu folgen liess, was wiederum bedeutet, dass es die ewigen Werte sicher zu bergen und die vergänglichen gelassen zu lasen gilt.