Mystik & Thomasevangelium – Nr. 43 – Rechte Erkenntnis
Der Vers - Rechte Erkenntnis
Seine Jünger sagten zu ihm: „Wer bist du, dass du uns das sagen kannst?“ Jesus sagte zu ihnen: „Ihr könnt nicht allein aus dem verstehen wer ich bin, was ich euch sage. Ihr seid wie die Juden geworden, denn sie lieben den Baum und hassen seine Frucht oder sie lieben die Frucht und hassen den Baum.“
Kommentar
Der in diesem Spruch enthaltene Mahnung zum rechten Sehen und Erkennen gibt Christus auch in einem anderen vom Kirchenvater Augustinus zitierten Herrenwort Ausdruck:
Ihr habt den Lebenden, der vor euch steht, verstossen, und ihr redet von den Toten.
Zu den Toten gehört auch Jesus für jene Christen, die von ihm reden wie von einem, der vor langer Zeit lebte, und die darüber den lebendigen Christus übersehen, vergessen und verstossen, der vor ihnen steht, der in ihnen ist und schweigend darauf wartet, dass er durch sie zur Auferstehung gelange - und zwar nicht nur in ihnen, sondern auch in ihren Nächsten.
Sorgen wir, dass wir nicht jenen Zeitgenossen Jesu gleichen, von denen er nach den Petrus-Akten sage:
Die mit mir sind, haben mich nicht verstanden.
Und sorgen wir, dass wir nicht den im obigen Spruch des Thomasevangeliums erwähnten Juden gleichen, die den Baum lieben und seine Frucht hassen, die sich zu Gott bekennen und den Gottessohn kreuzigten. Auch heute glauben viele an Gott, ohne ihn in ihren Nächsten zu erkennen und zu achten, während andere in ihrer Menschenliebe nur die äussere Form des Geliebten sehen, nicht aber den innewohnenden Geist, den verborgenen Gott erkennen und achten.
Die zu Gott Erwachten hingegen schauen, lieben und achten Gott in allem Lebendigen: sie sehen in allen Wesen Früchte des gleichen göttlichen Lebensbaumes und begegnen darum allen mit der gleichen Ehrfurcht und liebenden Hingabe, die sie dem Göttlichen entgegenbringen. Denn für sie ist Gott in allen und alles in Gott.