Mystik & Thomasevangelium – Nr. 46 – Auf dem Wege zum Einssein
Der Vers - Auf dem Wege zum Einssein
Jesus sagte: „Von Adam bis hin zu Johannes dem Täufer ist unter den von Frauen geborenen Kindern keiner grossartiger als Johannes der Täufer, denn seine Augen waren nicht abgewandt. Aber ich habe gesagt, derjenige, der unter euch zum Kinde wird, wird das Königreich erkennen und wird höher sein als Johannes.“
Kommentar
Auch dieser Ausdruck findet sich bei Matthäus und ähnlich bei Lukas, und zwar als Antwort auf die Frage des Johannes, ob er der verkündete Messias sei: 'Damit seine Augen nicht brechen', damit er aus einem Halberwachten zu vollem Erwachen gelange und seine Augen sehend werden, nennt er Johannes den Grössten unter den Weibgeborenen, bringt aber zugleich zum Ausdruck, dass Erleuchtung noch nicht das Höchste ist. Höher und grösser als sie ist die Einswerdung mit Gott und dem Lichtreich Gottes. Der Geringste, der zu solcher Einswerdung gelangt, ist grösser als Johannes und die Erleuchteten aller Zeiten, denn er hat zum Reiche Gottes heimgefunden.
Christus nennt sich selbst den Schlüssel und den Weg zu dieser Einswerdung und Heimkehr ins ewige Lichtreich Gottes - und zwar auch und vor allem für die Unerwachten, noch vom Seelenschlaf Umfangenen, wie ein in der Epistola aposolorum wiedergegebenes Herrenwort deutlich macht, das uns rät, uns auf das Wesentliche zu besinnen, auf den göttlichen Wegweiser und Erlöser, der in uns ist:
Wahrlich, ich sage euch, dass ich alle Gewalt von meinem Vater habe, damit ich jene, die in der Finsternis weilen, ins Licht zurückführe, und die in Verderbnis sind, in die Unvergänglichkeit, die auf Irrwegen in die Gerechtigkeit, die im Tode ins Leben. Was dem Menschen unmöglich ist, das ist dem Vater möglich.
Der Vater
Das was der Vater vermag, das vermögen auch seine Kinder, in denen das göttliche Licht entflammte, Christus lebendig ward und das Werdewort "Ich bin!" spricht, das vom Tode ins Leben führt.
Es wird eine Zeit kommen, da man über immer mehr Gräbern auf dem Querbalken des Kreuzes das Wort lesen wird, das der Auferstandene in uns spricht: "Ich bin!" Und es wird für die noch Verkörperten ein Lichtwort sein der Gewissheit der Unvergänglichkeit ihres innersten Wesenskernes, ein lebendiges Echo des göttlichen "ICH BIN!", das der Logos nach einem koptischen Evangelien-Fragment spricht als das schöpferische Wort, das das Geheimnis des ewigen Lebens sichtbar macht:
Nun offenbare ich euch meine ganze Herrlichkeit und zeige euch meine Kraft.
Doch wir brauchen nicht auf diese Zeit der Erfüllung zu warten, ist doch die Wahrheit und das rettende Wort jetzt und immer in uns.
Das Wort ist in uns. Der Geist ist in uns. Die Kraft ist in uns.
So weit wir dessen innewerden, so weit sind wir im Vater und der Vater in uns. Alsdann erkennen wir sein Ebenbild in uns und uns als von seiner Gestalt, seiner Macht und Vollkommenheit. Wir werden unseres göttlichen Selbstes inne, das Licht vom Lichte Gottes ist. Und indem wir die Stimme des Lichts, das innere Wort, vernehmen, empfangen wir - im Erwachen zum Ich-Bin - die Wahrheit und die Kraft Gottes unmittelbar.