Mystik & Thomasevangelium – Nr. 47 – Besinnung auf das Bleibende

Der Vers - Besinnung auf das Bleibende

Jesus sagte: „Es ist nicht möglich, dass ein Mensch zwei Pferde besteigt, noch kann er zwei Bogen spannen. Und ein Sklave kann nicht zwei Herren dienen, ansonsten wird er den einen verehren und den anderen verhöhnen. Niemand trinkt alten Wein und wünscht sich zugleich, neuen zu trinken. Und man giesst nicht neuen Wein in alte Schläuche, damit sie nicht brechen; und man giesst nicht alten Wein in einen neuen Schlauch, damit diese ihn verderben. Man näht auch keinen alten Flicken auf ein neues Gewand, denn es würde ein Riss entstehen.“

Kommentar

Auch dieser Spruch ist ein Ruf zur Sammlung auf das Wesentliche, die um so nötiger wird, je mehr die flüchtigen Freuden der Aussenwelt uns Dauer und Beglückung vorgaukeln, obwohl sie uns bei ihrem unvermeidlichen Ende nur unerfüllter und enttäuschter zurücklassen.

Wir haben jederzeit die Freiheit der Wahl, uns für das Geringere oder das Höhere zu entscheiden - und wir ernten jedesmal die Früchte dieser Entscheidung. Nicht aber können wir beides zugleich haben: Gott und die Welt.  Wir können nicht zwei Pferde reiten, ohne Gefahr zu laufen, von beiden herabzufallen. Wir können nicht zwei Bogen spannen, sondern nur einen.

Lebensschule

Wohl uns, wenn wir den himmlischen Bogen ergreifen und spannen und den Pfeil unserer Sehnsucht und Liebe auf das Herz Gottes richten! Wohl uns, wenn wir erkennen, dass die Lebensschule uns zur Besinnung und Sammlung auf das Wesentliche erziehen will. Auf das Bleibende, Ewige, Unvergängliche, das allein uns die Offenbarung der Ewigkeit unseres Wesens und die Sinnerfüllung unseres Lebens ermöglicht.

Wohl uns, wenn wir uns von dem lähmenden Wahn befreien, dass wir uns unser Leben nicht zu ändern seien, und wenn wir erkennen, dass jedes Wesen und jede Lage jederzeit von Grund auf gewandelt werden kann: Von innen her, durch Wandlung des Denkens und Glaubens, durch Hinwendung zum inneren Leben und durch Einswerdung mit dem Geist des Lebens!

Wohl uns, wenn wir in Stille und  Schweigen uns oft einwärtsweden mit der Bitte:

Wenn wir leben, lass uns suchend leben - suchend voller Sehnsucht, Gott, nach Dir! Wollen nicht als Tote schleichen, aussen Leben, innen Leichen, wollen leben, hingegeben Deinem Wesen schon auf Erden und von Dir durchglutet werden, wenn der Leib uns noch umfängt - bis Dein Wille ihn zersprengt.