Mystik & Thomasevangelium – Nr. 63 – Neues Menschentum
Der Vers - Neues Menschentum
Jesus sagte: „Es war einmal ein reicher Mann, der viel Geld durch einen grossen Handel erhielt. Er sagte: ‚Ich werde mein Vermögen benutzen, um zu säen, zu ernten, zu pflanzen und meine Speicher mit Früchten füllen, auf dass es mir an nichts fehle.’ Dies waren seine letzten Gedanken in seinem Herzen, denn in dieser Nacht starb er. Jedermann hier, der gute Ohren besitzt, sollte gut zuhören.“
Kommentar
Seit Jahrtausenden haben die Menschen versucht, die Welt durch äussere Reformen , soziale Neuerungen zu ändern, ohne das dies gelang. Christus lehrt den Weg der inneren Reform: die Selbsterneuerung, mit deren Vollzug das äussere Leben sich mit vollendet.
Die Worte des Thomas-Evangeliums sind wie die der Bergpredigt Anleitungen zu solcher Erneuerung von innen her. Sie geisseln das gierhafte Trachten und Treiben der Unerwachten, die die ganze Erdenschulungszeit damit verbringen, äusserlich zuzunehmen, Vergängliches anzuhäufen, um am Ende mit leeren Händen und Herzen davonzugehen. Sie haben den Sinn ihrer irdischen Inkarnation verkannt und verfehlt und das Wichtigste versäumt: ihr inneres Wachstum.
Der Reiche Mann
Der reiche Mann, der sich umsonst mühte, ist der unerwachte Mensch unserer Zeit, der noch nicht vom neuen Geist des kosmischen Zeitalters angehaucht, erfasst und verwandelt ist.
Er erkennt nicht, wie der Erwachte, das Doppelgesicht dieser Wendezeit: die alte Zeit unschöpferischer Hast- und Erfolgsjagd, die neue eine Zeit gelassenen Schöpftums. Das Wollen der einen sinnwärts, stoffwärts gerichtet, das der anderen seelen- und geistwärts. Das eine ist statisch, scheinwelt-verhaftet, das andere dynamisch, der Wahrheit entsprungen, der Gottwelt zugewandt.
Das alte Weltbild ist das des Sinnenmenschen: es gründet in dem, was er zu wissen wähnt. Das neue Weltbild ist das des Geistmenschen: es wurzelt in dem, was der innere Mensch schaut und begreift. Die Merkmale des alten sind: das Sondersein, das Grenzenziehen, die Enge und Gehemmtheit, das Halten- und Behaltenwollen, das Beharren in der Unvollkommenheit. Wahrzeichen des neuen sind: das sich Weiten zum Einssein mit dem Ganzen, die freie Entfaltung der schöpferischen Innenkräfte, das Gebenwollen, das lebendige Fortschreiten von Vollkommenheit zu grösserer Vollendung.
Das Denken des alten Menschen ist beherrscht vom Trieb lebensfremder Ichsucht, das Habenwollens, Nehmenwollens, Raubens. Das des neuen Menschen gründet auf dem Willen lebensnaher Dusucht, dem Gemeinschaftssinn, dem Seinwollen und sich Hingebenwollen.