Mystik & Thomasevangelium – Nr. 83 – Ebenbild und Urbild

Der Vers - Ebenbild und Urbild

Jesus sagte: „Die Bilder sind für die Menschen manifestiert, aber das Licht, das in ihnen ist, ist verborgen im Bild des Vaters Lichts. Er wird sich offenbaren, aber sein Bild ist durch sein Licht verborgen.“

Kommentar

Wenn der Mensch seiner Gottebenbildlichkeit bewusst wird, werden die Abbilder - die äusseren Daseinsformen, die ihm bis dahin als Wirklichkeit erschienen - zu blossen Schatten, die ihn nun nicht mehr hindern können, das Licht, das diesen Schatten erst ihr flüchtiges Dasein gab, zu erkennen und seiner Herkunft aus dem Licht inne zu werden.

In diesem Erwachen zur höheren Wirklichkeit der inneren Lichtwelt erweitert sich die Selbst-Erkenntnis zur Gott-Erkenntnis. Er schaut Christus, das göttliche Licht, das seit je in ihm glutet und nun, sich selbst offenbarend, in seinem Herzen aufflammt, als Strahl aus dem Urlicht des Vaters.

Am Anfang dieses stufenweisen Gottselbsterwachens ist das Urbild noch verborgen durch sein Licht - das Licht des Gottes-Ebenbildes, dessen Glanz so strahlend ist, dass in seinem Aufgang zuerst nur die Lichtfülle als solche wahrgenommen und zurückgestrahlt wird.

Aber in dieser Rückstrahlung und Hingabe an das innere Licht wird das Urlicht offenbar - und das göttliche Selbst, das Gott-Ebenbild, erkennt beselig:

Ich und der Vater sind eins!

In der meditativen Selbst-Besinnung schreitet der einwärts Gewendete, nach innen Geweitete, dem Höchsten Geweihte aus dem Dämmer des äusseren Abbildes - des äusseren Menschen - in das Licht des inneren Ebenbildes und eint sich zuletzt dem Urbild, dem Allherzen Gottes, zur höchsten Gewissheit des Ich bin Du erwacht, wie die Weisheit des Osten dieses Einssein von Erkenner, Erkanntem und Erkenntnis aller re-ligio nennt.