Mystik & Thomasevangelium – Nr. 99 – Bruderschaft der Erwachten

Der Vers - Bruderschaft der Erwachten

Die Jünger sagten zu ihm: „Deine Brüder und deine Mutter stehen draussen.“ Er sagte zu ihnen: „Diese hier, die den Willen meines Vaters tun, das sind meine Brüder und meine Mutter. Sie sind es, die in das Königreich meines Vaters eintreten werden.“

Kommentar

Dieser Spruch unterstreicht nicht nur - exoterisch -, dass die geistigen Verwandtschaftsbande über den leiblichen stehen, sondern darüber hinaus - esoterisch -, das die Erkenntnis der Gotteskindschaft die Erwachten im höchsten kosmischen Sinne zu innerlich Geeinten macht oder richtiger, ihnen diese ewige Wahrheit inneren Einsseins wieder bewusst macht.

Der indische Mystiker meint die gleiche Erfahrung höchsten Einssein, wer er sagt: Tat twam asi! Das bist Du!

Diese innere Bruderschaft und Einheit hebt die menschliche Bande auf, weil sie über allen äusseren Bindungen steht und im Reiche Gottes gründet. In der Tatsache, dass Christus in jedem von uns gegenwärtig ist und dass wir durch ihn und gleich ihm mit dem Vater eins sind. Diese Einheit des Lichtfunkens in uns mit dem göttlichen Urlicht ist in Wahrheit ohne Anfang und Ende; sie bestand schon ehe die Welt ward, auch wenn wir dessen unbewusst wurden und ihrer erst wieder innewerden müssen.

Das macht Christus uns in einem anderen Wort bewusst, das uns als Evangelienzitat von Ephraem, dem Syrer, überliefert ist:

Ich erwählte euch, bevor die Welt erschaffen wurde.

Schon beim Herabstieg der Wesen aus den Reichen des Geistes in die Welt der Materie senkt die Gottheit in jede Seele den Christus-Funken, der sie auf ihrem Weltenwanderwege lichtwärts weist und ihr in dem Augenblick das Tor des Lebens öffnet, in welchem sie, den Trug der Welt durchschauend und nach innen blickend, Seiner inneren Gegenwart gewahr wird, Ihn als ihr eigenes innerstes Sein und Selbst erkennt, in der Einswerdung mit ihm entwird und in ihm mit ihm aufersteht zum Ewigen Leben.