Die Reise in die Stille, ist keine stille Reise – Meditation und Tod – Die Reise in die Stille beginnt und endet beim wahren Selbst!
Jede Reise in die Stille beginnt dort, wo es am lautesten und dunkelsten ist.
Die ganze Welt brennt, wo will man sich verstecken? (Zen Sprichwort)
Mit der ganzen Welt sind der eigene Körper und Geist gemeint und von der Geburt bis zum Tod brennen diese unaufhörlich. Wie und wo kann man sich nun verstecken? Diese Frage braucht jeder Zen Meister als Anleitung zur Meditation. Oft versuchen wir im Aussen zu handeln, um die ersehnte Stille zu erreichen. Oder wir suchen nach Meditations-Techniken, um den Geist zu beruhigen und uns abzulenken, damit wir nicht mehr denken müssen. Doch der Sturm der Zeit und Vergänglichkeit wütet ewig und unaufhaltsam.
Die Reise in die Stille beginnt und endet beim wahren Selbst
Mein Zen Meister pflegte zu sagen, dass unsere Familientradition einfach ist: die Kirche ist im eigenen Geist und Gott im eigenen Selbst zu finden. Diese traditionelle und ursprüngliche Lehre der Selbstkultivierung ist von vielen im Osten längst vergessen und im Westen längst verloren. So entfernen wir uns von unserem wahren Selbst und fallen in die Identifikation des Körpers und des Geistes. Sobald man sich aber mit dem einen identifiziert, muss man gegen das andere kämpfen, da Körper und Geist gegensätzlich sind. Dieser Kampf (Körper gegen Geist und umgekehrt) bedeutet ein Kampf gegen sich selbst und richtet grossen Schaden an. So müssen wir ewig jung und stark sein,mental gesund und ohne Fehler. Ein hoffnungsloses Unterfangen.
Meditation bedeutet, die grösstmögliche Verantwortung zu übernehmen
Wie komme ich nun zu meinem urpsrünglichen Gesicht, meinem Selbst zurück? Ich habe einen Geist und einen Körper, aber ich bin es nicht. Und so kann ich diese beiden komplementär gebrauchen, damit ein Dialog zwischen Körper und Geist entsteht. Dieser Dialog drückt sich in Harmonie und Weisheit aus. Mit dieser Selbstkultivierung entsteht auch auch Heilungsprozess. Was entzweit ist, wird wieder zusammengeführt.
Wenn die Leute ins Honora Zen Kloster kommen frage ich, was sie unter Meditation verstehen. Meistens meinen sie ein gedankenloses, stundenlanges, stilles Sitzen. Das stille Sitzen (überhaupt nicht gedankenlos) ist jedoch nur die Klosterform der Mönche und Nonnen. Diese Vorstellung ist gefährlich, da alles andere damit ausgeschlossen wird. Wieso stellt man sich unter Meditation nicht einfach das Spielen, Lernen und Zeigen der Welt mit den Kindern vor? Oder die Gespräche mit der Ehefrau oder dem Ehemann? Meditation bedeutet immer, dass man vor der eigenen Haustüre wischt, dass man das Leben und Sterben, den Körper und Geist immer wieder untersucht, damit man zu seinem Selbst zurückkommt.
Wo gehöre ich hin? Selbstverherrlichung oder Selbstverwirklichung?
In einer Zeit, in welcher es fast nur noch darum geht, dass hauptsächlich ich mich wohl fühle, zelebrieren wir die Selbstverherrlichung. Und wir können Schmerz und Leid, Mitgefühl und Mitleid nicht mehr unterscheiden. Wir sind gestresst, ausgelaugt und werden krank. Im Schlaf finden wir keine Genesung und Erholung. Wenn wir aus dem Selbst fallen, übernimmt das Ego die Herrschaft und wir sind in der Tyrannei der Selbstverherrlichung gefangen. Entzweit vom Selbst, ziehen wir in den Kampf und ins Schlachtfeld von Geist gegen Körper, Frau gegen Mann, Gast gegen Gastgeber, Eltern gegen Kinder, Staat gegen Individuum.
Schlussendlich möchte jeder wissen: "Wo gehöre ich hin?" Diese Frage beginnt, wenn man sich seiner Vergänglichkeit bewusst wird. Das Selbstbewusstsein entsteht mit dieser existentiellen Frage, weil dadurch der Gegensatz von Leben und Tod im Herzen aufkommt. Wo gehöre ich hin? Mit dieser Meditation provozieren und fordern wir die Weisheit, welche die Gegensätze als Dialog versteht und uns heilt.
Als Zen Mönch führe ich oft Hochzeiten und Beerdigungen durch. Dabei stelle ich die Frage bei jeder Zeremonie. Bei einer Hochzeit entsteht eine Familie, bei einer Beerdigung vergeht ein Teil davon. Etwas entsteht und etwas vergeht, bei beidem müssen wir wieder herausfinden wohin wir gehören.
Selbstverwirklichung
Meditation bedeutet, das Ego zu opfern, damit das Selbst verwirklicht werden kann. Meditation bedeutet herauszufinden, ob man was man will auch wirklich braucht und was man braucht auch will. Meditation bedeutet Weisheit. Meditation bedeutet, dass man das Auge im Tornado ist. Meditation bedeutet, die Stille im Selbst, im Innen zu suchen und im Aussen zu handeln.
Verantwortung und Weisheit
In der Meditation geht es nicht darum, sich gut zu fühlen und möglichst aussergewöhnliche Erfahrungen zu machen. Das Ego jagt natürlich diesen süchtig und glücklich machenden Dingen nach, wie ein kleines Kind den Zuckerschub sucht. Wir als Eltern führen die Kinder zu Selbstkultivierung und Selbstdisziplin. Je näher man aber zu sich kommt, umso schwieriger wird es, das Selbst zu sehen.
So sehen wir bei der Meditation ständig die eigenen verwirrenden, endlosen und intimen Gedanken. Das ist schwer auszuhalten, da wir uns gerne damit identifizieren. Ein fataler Trugschluss bei der Kontemplation und Meditation ist, dass man versucht nicht mehr denken zu wollen, da die Gedanken die Probleme hervorbringen. Keine Gedanken, keine Probleme. Die Aufgabe des Körpers und des Geistes ist Informationen für die Weisheit zu liefern. Wenn aber die Weisheit nicht weiss, was sie tun soll, oder wohin sie will, kann sie all die Informationen nicht einordnen und das Chaos übernimmt. Das eigene Urteilsvermögen wird schwächer und schwächer und wir sind komplett überfordert.
Meditation bedeutet das eigene Urteilsvermögen zu stärken. Wenn wir wissen, wohin wir gehören oder wollen, dann können wir all die Informationen der Gefühle, Emotionen und Gedanken einordnen und gebrauchen. So soll uns unsere Weisheit durch die Meditation aus der Tyrannei der Selbstverherrlichung zur gelobten Selbstverwirklichung führen und leiten, damit wir die grösstmögliche Verantwortung für das eigene Leben übernehmen können.
Wo gehöre ich nun hin? Mit einem Bein ins Chaos und mit dem anderen in die Ordnung! So kann die eigene Weisheit ausgeschöpft werden und wir sind wahrhaftig erfüllt und befriedigt. Die Reise endet, wo sie begonnen hat, beim Anfang. Die ganze Welt brennt, wo will man sich nun verstecken? Auf diese Frage hätte ich folgende Antwort:
Der Feuer-Phönix ist schon lange aus der Asche auferstanden und zeigt sein leuchtendes Federkleid.