Zen Koan – Hekiganroku – Nr. 42 – Des Privatgelehrten Pang wunderschöne Schneeflocken

Das Beispiel

Der Privatgelehrte Pang hatte sich von Zen Meister Yakusan verabschiedet. Yakusan beorderte zehn seiner Zen-Mönche, Pang bis an das Hoftor zu begleiten. Der Zen-Gelehrte wies mit seiner Hand auf das Schneegestöber in der Luft und sagte: "Wunderschön, wie alle die zerstreuten Schneeflocken ihren Platz finden und nicht auf separate Orte fallen." Da wollte der Mönch Tjüan es genauer wissen und fragte: "Wo fallen sie denn hin?" Pang versetzte ihm einen flachen Schlag mit der Hand. Tjüan meinte darauf: "Auch ein Privatgelehrter wie Ihr sollte sich nicht so gehen lassen."

Pang sprach: "So was wie du nennt sich Zen-Mönch? Dich hat der alte Yama, König der Unterwelt, noch längst nicht freigelassen." Tjüan fragte zurück: "Und wie steht es in dieser Hinsicht mit dem Herrn Privatgelehrten?" Pang versetzte ihm abermals einen Schlag mit der Hand und sagte nachdrücklich: "Die Augen sehen es und sind doch wie blind; der Mund spricht davon und ist doch wie stumm."

(Setcho seinerseits bemerkt hierzu: "Besser gleich die erste Frage mit einer Handvoll Schnee an den Kopf erwidert!")

Engo's Einführung

Eben hatten wir es mit zwei ganz verschiedenen, doch ebenbürtigen Meistern zu tun, bei denen sich Rede und Gegenrede "wie Pfeil und Lanzenspitze" gegenseitig ergänzten und in sich aufhoben. Das jetzige Kapitel hat Setcho, als er nach Vorbildern der "Alten" suchte, ganz bewusst in Yüan-wus Niederschrift von der Smaragdenen Felswand aufgenommen und einem privatstudierten Laien-Zen-Meister gewidmet, der ohne Mönchsgelübde tief in die Lehren des Konfuzius, des DAU und schliesslich des Buddha-WEGES eindrang.

(Der in der zen-priesterlichen Hierarchie akkreditierte Zen-Meister Yakusan spielt anfangs nur eine Nebenrolle.) Erinnern wir uns: in den früheren Beispielen handelte es sich in der Hauptsache um offiziell anerkannte Zen-Äbte und deren Mönchsgemeinde. Dann auch um selbsternannte Zen-Meister, die als Einsiedler lebten und berühmt wurden, darunter auch die grosse Zen-Meisterin Liu, "der Mühlstein". Manchesmal war auch von "privatstudierten" Gelehrten des Zen die Rede, denen weder der Studienweg der kaiserlichen Beamtenlaufbahn noch der theologisch-scholastische Studienweg im Kloster zur Verfügung stand.

Auf buddhistischem Boden gab es schon in Indien sogenannte "Hausväter" (im Gegensatz zur "Hauslosigkeit" der Mönche), die als hochgebildete Laien ohne Verzicht auf das "Glück der Sinne" den Buddha verehrten und ein heiter frommes Leben führten. (Buddhistische Klöster standen immer jedermann auf Zeit offen.) Privatgelehrte Hausväter also behielten ihren Beruf und Besitz (von dem sie den Klöstern spendeten) und lebten nicht im Zölibat.

So heisst es vom privatstudierten Pang: "In seiner Hausgemeinschaft mischten sich die täglichen Handelsgeschäfte mit Gesprächen über höchste Dinge. Liess er irgendein Zen-Wort fallen, gaben Frau und Tochter ihm mit adäquaten Einfallen schlagfertig Bescheid: Ihr trivialer Alltag war von einem stillen Glanz durchleuchtet."

Vers

Ach, hätte das Mönchlein ihn doch mit einer Handvoll Schnee beworfen. Dem alten Pang und seinem Schlagwerk wär' dann wohl die Puste ausgeblieben. Wer ist sich selber schon bewusst, dass auch die äthergleiche Reinheit zergeht? Das müsste schon ein Mann wie Bodhidharma sein.