Kleine Schritte bewirken grosse Veränderungen – Beharrliches Üben und kleine Schritte führt zu grossen Veränderungen.

Was haben der Zen-Weg und Lösungsfokus gemeinsam? Eine Spurensuche führt zu erstaunlich vielen Gemeinsamkeiten und zeigt auf, wie beharrliches Üben und kleine Schritte zu grossen persönlichen Veränderungen führen können.

 

Die Entdeckung von Zen und Lösungsfokus

Was passiert eigentlich, wenn nichts passiert? Mit dieser Frage habe ich mich vor rund 15 Jahren das erste Mal beschäftigt. Persönliche Krisen und Zeiten der inneren Unruhe hatten mich per Zufall auf ein Meditationskissen geführt. Obwohl ich damals noch nicht begriffen habe, wofür das Sitzen in Stille steht und wozu genau es gut sein soll, spürte ich dennoch, einen Wegweiser in meinem Leben gefunden zu haben, welcher für mich einen entscheidenden Unterschied macht.

Etwas Ähnliches ist mir ein paar Jahre später an der Hochschule Luzern widerfahren: Dominik Godat hat uns Studierenden im Rahmen eines Wochenendseminars mit Lösungsfokus vertraut gemacht. Mit einem Schlag waren für mich alle bisher erlernten Fragetechniken und Coachingmodelle in den Hintergrund gerückt. Ich wusste: Das ist es!

Eine Frage hat mich dennoch immer wieder beschäftigt: Weshalb ausgerechnet Zen und Lösungsfokus? Elfie Czerny hat in einem Aufsatz die Achtsamkeit und den Anfängergeist als die «Seele» von Lösungsfokus bezeichnet und mir dabei die Erklärung geliefert: Steve de Shazer, eine der prägenden Figuren zu den Anfangszeiten von Lösungsfokus, war dem Zenbuddhismus sehr verbunden.

 

Der Zen-Weg

Über Zen wird aktuell im Westen viel gesprochen und geschrieben. Zen Mönch Marcel Reding beschreibt Zen als «Untersuchen von Leben und Sterben mit ganzem Herzen, während 24 Stunden am Tag». Während der Sitzmeditation, auch Zazen genannt, wird dabei «die wahre Person ohne Rang und Namen realisiert».

Den Zen-Weg zu praktizieren bedeutet somit, jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick aufmerksam zu sein und mit dem eigenen Bemühen nie nachzulassen. Sitzen in Stille ist somit lediglich ein Teil des Zen-Weges. Während den übrigen Stunden geht es darum, jede Handlung achtsam und mit einem Anfängergeist in den Alltag zu implementieren.

Ein gutes Übungsfeld stellen für mich zum Beispiel die Toilettengänge während Seminarbesuchen dar. Wenn etwa ranghohe Führungskräfte den Waschtisch mit Seifenwasser verschmutzt hinterlassen, frage ich mich stets, wie es ihnen gelingen soll, Menschen zu führen und Grosses zu bewirken, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, sich selber zu führen. Genau hier setzt der Zen-Weg an: Er lädt mich ein, es besser zu machen. Und: Er lädt mich dazu ein, es für den Vorgänger wieder in Ordnung zu bringen. Dieser zweite Punkt hat bei mir während vielen Jahren grosse innere Widerstände hervorgerufen. Mein Ego fühlte sich verletzt und hat gegen eine solche Handlung lautstark protestiert.

Aus diesem Grund werden im Zen immer wieder intensive Übungsperioden eingestreut, welche Sesshin genannt werden. Diese dienen einerseits dazu, sich mit Gleichgesinnten dem ausdauernden Zazen-Üben zu widmen. Sie tragen aber auch dazu bei, die eigenen psychischen und physischen Ressourcen soweit zu erschöpfen, um persönliche Veränderungen zu ermöglichen. Der innere Mensch kann nun mit einem Wachstums- und Reifeprozess beginnen.

«Ich will». Diese zwei Wörter dominieren die Welt. Sie manifestieren sich in vielen subtilen Formen. Selbst die lösungsfokussierte Frage nach den besten Hoffnungen ist dergestalt verkleidet. Hat diese Erkenntnis einmal von tiefem Herzen stattgefunden, ist der Weg bereitet, um menschlicher zu handeln.

 

Gemeinsamkeiten von Lösungsfokus und Zen

«Gleichgesinnte stärken sich»

Im Rahmen meiner Masterarbeit hat sich herausgeschält, dass eine Idee oder etwas Neues leichter umsetzbar ist, wenn in einem Unternehmen mehrere Personen dieselbe Haltung einnehmen. Dasselbe passiert auf dem Zen-Weg mit der intensiven Schulung während des Sesshins.

«Schweigen und Stille aushalten ermöglicht bessere Antworten»

Allzu oft wird in einem Gesprächsverlauf DER entscheidende Hinweis verpasst oder übersehen, weil man sich nicht gewohnt ist, Gesprächspausen einzulegen oder die Stille auszuhalten. Genau dieses Schweigen wird im Zen erlernt.

«Beharrliches Üben führt zu Verhaltensänderungen»

Es macht einen Unterschied, über eine Sache zu sprechen oder dann auch wirklich etwas dafür zu tun und diesen Weg konsequent zu gehen. Lösungsfokussierte Fragen wollen eingeübt und angewendet werden. Immer wieder. Erst nach etlichen Wiederholungen und Einüben wird eine andere Art von Fragestellung als neuer Teil der eigenen Person akzeptiert. Auf dem Zen-Weg wird ebenfalls geübt: 24/7.

«Kleine Schritte führen zu grossen Veränderungen»

Menschen verändern ihre Gewohnheiten nur ungern. Grosse Schritte und Ansagen, welche Veränderungen bald bevorstehen mögen, machen Angst. Das Festlegen von kleinen Schritten verhindert, dass vor lauter Bäume der Wald nicht mehr gesehen wird. War ein kleiner Schritt erfolgreich, erhöht dies die Motivation, weiterzumachen. Im Zen gilt: Eins nach dem anderen.

«Nichtwissende Haltung bringt Ressourcen zum Tragen»

Diese Haltung wird im Lösungsfokus oft beschrieben. Sie zu verstehen kann jedoch auch schwierig sein. Ich verstehe dies als «Nicht Einmischen». Ich lasse den Gesprächspartnern Raum und kommentiere ihre Aussagen nicht mit Worten, welche von meinem Ego-Geist gefärbt sind. Passiert dies doch, sind wieder die beiden Worte «Ich will» in irgendeiner subtilen Form im Spiel. Zazen besteht vor allem aus dem Einüben ins «Nicht Einmischen».

 

Persönliches Fazit

Von den eigenen Taten zu sprechen ist im Grund der Dinge für mich genau so schwierig, wie die Erteilung eines Auftrags ans Auge, sich selber zu beobachten. Ich halte mich da gerne an den Grundsatz von Wittgenstein welcher gesagt hat: «Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen».

Mein Arbeitstag ist folged strukturiert. Er beginnt und endet jeweils mit dem Üben in Präsenz. Den Tag hindurch stelle ich mir immer wieder Fragen und setze Ankerpunkte, welche mich dabei unterstützen, mein Handeln und Verhalten zu reflektieren.

Die goldene Regel der praktischen Ethik lautet wie folgt: «Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst». Nach dieser Regel versuche ich jeden Tag zu leben, nach dieser Regel führe ich im Unternehmen. Es liegt in erster Linie an mir selber, einen ersten Schritt zu tun, welcher auch für das Umfeld einen entscheidenden Unterschied macht.

Jahreslanges Üben hat mich gelernt, absichtsloser zu handeln und zu geben, ohne immer eine Gegenleistung zu erwarten. Bringe ich nun noch lösungsfokussierte Fragen ins Spiel, welche die Mitmenschen in ihrer Handlungsfähigkeit unterstützen, sind Ergebnisse sichtbar, welche im Vorfeld einer Lösungsfindung oft für nicht möglich gehalten wurden.

Beharrliches Üben, Schritt für Schritt nehmen und wieder weiterüben. Das sind die Grundlagen, welche mein inneres Wachstum ermöglicht haben. Schlussendlich geht es für mich darum, die höchstmögliche Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen.

Jörg Koch

 

Meditationszentrum

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